Digitalisierung der Feuerwehr hands-on erklärt

Die Digitalisierung der Feuerwehr ist zunehmend als Problemlöser im Fokus, wenn es um leere Kassen und angespannte Personalressourcen geht. Jedoch heißt Digitalisierung der Feuerwehr vielerorts eine Erneuerung der Einsatzleitrechner – also teure Spezialsoftware ausschreiben und im laufenden Betrieb anpassen. Nach der Migration stellt man fest, dass doch nicht alle Funktionen so abgebildet sind, wie im Geschäftsprozess benötigt. Wir zeigen mit diesem Beitrag, wie Digitalisierung agil wird und sich die Systeme an die eigenen Bedürfnisse anpassen.

Auf Basis von integromat, einer sogenannten Robotic-Process-Automation (RPA), wird per Drag&Drop ein Prozess zur Automatisierung der Einsatznachbearbeitung abgebildet.

Prozesslandkarte

Zunächst einmal geht es bei der Digitalisierung der Geschäftsprozesse um die Dokumentation der bestehenden Prozesse. Diese sogenannte Prozesslandschaft oder -landkarte ist Grundvoraussetzung für die Projektsteuerung und sollte stetig nachgepflegt werden. Diese kann bei großen Digitalisierungsvorhaben auch initial erstellt werden, um die Übersicht über alle Abteilungen zu erhalten. Im folgenden gehen wir aber von einem agilen Vorgehen aus, dass schrittweise durch die Feuerwehr und ohne externe Beratung durchgeführt wird.

Der Digitalisierer des Digitalen

Der Mensch ist oftmals in der Verwaltung an Stellen gefordert, wo digitale Daten erfasst oder von einem System in ein anderes übermittelt werden müssen. Klassisches Beispiel ist der Einsatzbericht und die Einsatznachbearbeitung. Der Einsatz wird im Einsatzleitrechner erfasst und eröffnet. Nach dem Einsatz werden die Informationen von der Einsatzstelle, Rückmeldungen und Werkstattprotokolle zusammengetragen und in den Einsatzbericht (meist manuell) überführt. Aus dem Einsatzbericht werden dann üblicherweise Statistiken (wieder manuell) erhoben.

Um die interne Verwaltung der Feuerwehren personalschonender zu gestalten, bedarf es es einer Reduktion dieser Transferaufgaben. Digitale Daten sollten ohne Medienbruch und ohne menschliche Interaktion zwischen Systemen automatisiert ausgetauscht werden.

Einheitliche Schnittstellen?

Doch wie gelingt eine Digitalisierung der Feuerwehr und der Prozesse, wenn einheitliche Schnittstellen seit Jahren nicht geschaffen werden (Stichwort: BOS-Digitalfunk, Katastrophenschutz, Marschbefehl usw.)? Einheitliche Schnittstellen sind zunächst einmal nur ein Feigenblatt der Digitalisierung. Es empfiehlt sich stattdessen zunächst offene Systeme auszuschreiben bzw. einzukaufen.

Was sind offene Systeme in diesem Kontext? Offene Systeme sind Systeme, deren Daten durch definierte Schnittstellen wieder abgerufen werden können. Die Daten können also in einer strukturierten Form massenhaft abgerufen werden können, was eine Nachbearbeitung in anderen Systemen erlaubt.

Eine definierte Schnittstelle kann z.B. eine Netzwerkschnittstelle (z.B. sog. HTTP REST) oder auch eine strukturierte CSV-Tabelle sein. Wichtig hierbei ist, dass der jeweilige Anbieter eine technische Dokumentation der Schnittstelle unentgeltlich zur Verfügung stellt, so dass berechtigte Personen die Daten aus dem System entnehmen können. Diese definierten Schnittstellen können auf jeder Dienststelle implementiert werden, um die internen Prozesse miteinander zu vernetzen und Daten automatisch fließen zu lassen. Wir zeigen wie dies ganz einfach geht.

Einheitliche Schnittstellen hätten darüber hinaus noch weitere Vorteile: Durch die Reduktion der Schnittstellen am Markt gäbe es mehr Innovationen durch reduzierte Implementierungs- und Supportkosten. Weiterhin könnten Systeme interkommunal miteinander kommunizieren. Diese höhere Kosteneffizienz ist zwar wichtig, bringt aber den Abteilungsleiter oder Leiter der Feuerwehr nicht sprunghaft nach vorne.

Digitalisierung der Feuerwehr mit Kaizen und Kanban

Um große Sprünge bei der Digitalisierung der Feuerwehr zu machen, empfiehlt sich zunächst im Kleinen zu starten und die Komplexität der Prozesse nach und nach zu steigern. Jeder kennt die Alltagsaufgaben, welche Zeit rauben und wenig Vergnügen bereiten. Z.B. das Ausfüllen des Einsatzberichts mit FMS oder SDS-Status aus dem Einsatzleitrechner. Oder das Erstellen einer Wiedervorlage in der Brandschau.

Kaizen

Aber wo anfangen? Aus unserer Prozess- und Data Science-Beratung im Industrie- und BOS-Umfeld empfiehlt sich folgendes Vorgehen analog zum japanischen Kaizen:

  1. Prozessorientierung
  2. Kundenorientierung
  3. Qualitätsorientierung
  4. Kritikorientierung
  5. Standardisierung

Prozessorientiert heißt, dass wir uns auf die wiederkehrenden Muster in der täglichen Abteilungsarbeit konzentrieren. Der Kunde kann ein ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger zur Einkleidung oder ein Bauherr im VB sein. Wir möchten unsere Prozesse nachhaltig besser (Qualität) und effizienter machen (Standardisierung).

Kanban

Wir empfehlen die Prozessautomatisierung im Tagesgeschäft mit Kaizen und Kanban zu strukturieren. Durch das Einarbeiten von positiver Kritik durchlaufen wir mehrmals den Kontrollzyklus (PDCA: Plan ➞ Do ➞ Check ➞ Act), welchen wir auch aus dem Führungskreislauf im Einsatz kennen. So sollte es z.B. nur ein Vorhaben je Mitarbeiter in Arbeit geben. Gesteckte Ziele werden zunächst abgearbeitet, um dann im nächsten Schritt den Erfolg zu kontrollieren und eine neue Entscheidung zu treffen.

Beispielhafte Digitalisierung im Tagesgeschäft

Als Beispiel für die schrittweise Digitalisierung von Bestandssystemen zeigen wir hier die Einsatznachbearbeitung. Der Grundgedanke lässt sich aber auf verschiedenste Prozesse im inneren Dienst anwenden.

Der nachstehend gezeigte Prozess benötigt keine tiefgreifenden IT-Kenntnisse. Er sollte mit etwas ausprobieren und Befolgen der Dokumentation auch für Fachteams erschließbar sein.

Auf Basis von integromat, einer sogenannten Robotic-Process-Automation (RPA) kann das Team ohne Programmierkenntnisse den Prozess erstellen. Integromat ist eine Tochterfirma des derzeit höchstbewertesten deutschen Startups celonis aus München. Die Server von Integromat stehen in Europa und eine Anbindung erfolgt somit DSVGO-konform.

Vorteil: Dieser Prozess läßt sich später beliebig dem Tagesgeschäft anpassen. Es fallen keine externen Projektierungs- oder Änderungskosten an. Die Projektierung ist resourcenschonend und bedarf keiner langwierigen Vorplanung.

Prozessschritte

  1. Zunächst wird im Abstand von 5 Min. die jeweils aktuelle Liste von Einsätzen abgerufen. Hier am Beispiel des Reporting-Servers von „ise Cobra v4 mit DWH-Konzept“ gezeigt.
  2. Mittels Router wird das Ergebnis an verschiedene Teilprozesse verteilt.
  3. Für die Einsatznachbearbeitung werden alle Fahrzeugstatus in eine Exceltabelle geschrieben. Der zuständige Einsatzleiter erhält eine terminierte Aufgabe in Microsoft Planer (oder jedem anderen kommunalen Projektmanagementtool).
  4. Die Einsatzinformation wird mittels E-Mail (Sendinblue, Standort DE) DSVGO-konform an die zuständigen Einheiten verteilt.
  5. Die Einsatzinformation wird per HTTP-Schnittstelle an MP-Feuer für die Nachbearbeitung übermittelt.
  6. Die Einsatzinformationen werden per HTTP-Schnittstelle an premergency übermittelt, wo sie statistisch ausgewertet und in das Risikomodell für Predictive Firefighting übernommen werden. Ein Update nach der Einsatznachbearbeitung wäre technisch auch möglich.

Fertiger Digitalprozess zur Einsatznachbearbeitung

Der fertige Prozess kann jederzeit ohne Programmierkenntnisse bearbeitet werden. Damit sind wir unserem Ziel der Nutzung digitaler Prozesse bei Feuerwehr und Rettungsdienst wieder einen Schritt näher gekommen. Für mehr Freiraum im persönlichen Miteinander.

Übrigens kann man man so auch Einsatzdaten sammeln, welche vom Einsatzleitrechner (ELR) bislang nur als E-Mail versendet werden. Dazu muss man im Bild oben den links abgebildeten Datenbankzugriff (Symbol „MySQL Delphin“) durch ein geteiltes Postfach ersetzen. Versendet der ELR Textformat, reicht das Verarbeiten des Text. Etwas komplizierter wird es beim Verarbeiten von Einsatzberichten im PDF-Format. Hier bringt premergency.ai aber entsprechende Importfunktionen mit.